Die milesische Landschaft
Milets Bedeutung in der Antike ergab sich durch seine besondere Lage. Milet lag auf einer Halbinsel, die in den Latmischen Golf – auch bekannt als Golf von Milet – hineinragte. Diese Halbinsel bildete sich erst ungefähr in der archaischen Zeit (ca. 700-490/80 v. Chr.) durch Verlandungen zwischen Inseln, die heute noch als Hügel bekannt sind: Der Humeitepe im Nordosten, der als oft Theaterhügel bezeichneten Kaletepe am späteren Stadtzentrum und der Kalabaktepe im Südwesten des Stadtgebiets. Somit war die Stadt gut zu verteidigen. Gleichzeitig war sie sowohl an die Ägäis als auch nach Anatolien über den Fluss Mäander gut angebunden. Diese naturräumlichen Voraussetzungen führten dazu, dass sich Milet zu einer bedeutenden Handelsstadt entwickeln konnte.

Heute ist von der ehemaligen Halbinsel, auf der sich Milet befand, kaum noch etwas zu erkennen. Der Latmische Golf und damit auch die Häfen von Milet verlandeten ab dem 3./4. Jahrhundert n. Chr. stark, bis die Stadt ab dem Mittelalter schließlich keinen direkten Zugang mehr zum Meer hatte. Der Bafa-See östlich der antiken Stätte von Milet ist ein Überrest des Golfes, der die Stadt damals umgab. Grund für diese Verlandung waren Erosionsprozesse sowie die Ablagerung von Sedimenten durch den Großen Mäander. Der Große Mäander (Büyük Menderes) zieht sich heute durch den ehemaligen Latmischen Golf, umfließt die antike Stätte von Milet und mündet unweit von ihr ins ägäische Meer. In den Wintermonaten ist dieses Mündungsdelta aufgrund starken Regens Überschwemmungen ausgesetzt und auch Teile des antiken Stadtgebiets von Milet stehen dann unter Wasser.
Seit 1994 ist das Mäanderdelta ein Naturschutzgebiet, da es ideale Voraussetzungen für die Brut von ca. 70 verschiedenen Vogelarten bietet. Insgesamt beheimatet es ungefähr 250 Vogelarten, darunter auch seltene wie den Krauskopfpelikan. Viele dieser Vögel ernähren sich von Fischen, die in den Gewässern des Deltas geeignete Bedingungen zum Laichen haben. Doch auch in Tümpeln im antiken Stadtgebiet sind Vögel wie Reiher und Enten, aber auch Frösche und Schildkröten anzutreffen. Während der Überschwemmungsphase wachsen sogar Algen und Wasserpflanzen im unter Wasser stehenden antiken Stadtzentrum. Sehr häufig ist außerdem Mönchspfeffer, auch Keuschlammstrauch genannt, der bis zu vier Meter hoch wachsen kann. Nach einem Mythos wurde die Göttin Hera unter einem Keuschlammstrauch nahe Milet geboren. Östlich des Mäanderdeltas befindet sich das größte Anbaugebiet für Baumwolle im Bereich des ägäischen Meers.
Text: Mark Ohlrogge