Zeytintepe und Değirmentepe
Etwa 2km südwestlich des Theaters liegen die Hügel Değirmentepe und Zeytintepe. In der hellenistischen Zeit lagen diese bereits weit außerhalb der Stadt, doch sind sie bedeutend näher an der archaischen Siedlung am Kalabaktepe. Der Değirmentepe („Mühlen-Hügel“) erhält seinen Namen von dem Fundament einer alten Mühle im Osten seines Gipfels. Zeytintepe hingegen bedeutet „Olivenhügel“, und wer heute einen Spaziergang in der direkten Umgebung wagt, erhält sofort Bestätigung für diesen Namen, denn an den Hängen beider Hügel liegen zahlreiche Olivenhaine.
Die Nekropole am Değirmentepe
An den Hängen des Değirmentepe lag die größte bis heute bekannte Nekropole Milets. Als Nekropole wird ein großer Bereich mit Bestattungen und Grabanlagen bezeichnet, also eine Art Friedhof. Wörtlich bedeutet es „Stadt der Toten“. Die Benutzung der Nekropole am Değirmentepe reicht von der Spätbronzezeit bis in die römische Kaiserzeit – das ist eine überaus lange Zeitspanne. Einige Funde aus neuen Grabungen weisen darauf hin, dass auch in der Zwischenzeit, besonders in klassischer und hellenistischer Zeit, der Ort als Nekropole genutzt worden ist.
Vor allem wurden hier Kammergräber des üblichen mykenischen Typs entdeckt. Diese sind nahezu rund und haben einen mehr oder weniger langen Zugang, den sog. Dromos. Die Kammern waren durch einfache Steinsetzungen im Türrahmen verschlossen. Die kaiserzeitlichen Gräber sind sog. lokulus-Gräber, also Kammergräber mit mehr oder weniger tiefen nischenartigen Löchern für Einzelbestattungen. Oft wurde bei der Anlage eines neuen Grabes ein schon lange nicht mehr benutztes, und wohl nicht mehr bekanntes, älteres Grab angeschnitten und umgebaut. Manche der damals ausgegrabenen Gräber sind heute noch im Gelände, am Osthang des Hügels, zu erkennen. Durch die lange Besiedlungszeit Milets sind sehr viele Gräber jedoch schon ab der Spätantike ausgeraubt worden.
Text: Jan-Marc Henke / Lisa Steinmann / Julien Zurbach
Literaturhinweise
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E. Forbeck, Die Nekropolen von Milet. Die Grabungen von 1901 bis 1909 und die Arbeiten der Jahre 1993 bis 1996 (Dissertation Ruhr-Universität Bochum 1998 [Bochum 2016])
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J. Zurbach, Milet, „ville-monde“ de l’Antiquité, 2020
Das Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe
Das archaische Aphroditeheiligtum von Milet lag auf der Hügelkuppe des Zeytintepe und muss für vom Meer einfahrende Schiffe schon von weitem als deutliche Landmarke sichtbar gewesen sein. Auch heute ist die Aussicht auf dem Hügel beeindruckend. Der Ort war ein idealer Platz für den Kult der Aphrodite, die in den milesischen Kolonien des Schwarzen Meers und in dem wichtigen Handelsstützpunkt Naukratis in Ägypten als Schützerin der Seefahrer verehrt wurde.
Zugänglich war der Gipfel wohl von der Küste im Norden aus, und von hier stammt auch eine kaiserzeitliche Inschrift mit einer Weihung an Aphrodite. Das Heiligtum der Aphrodite in Oikous ist abgesehen davon durch zahlreiche Inschriften und Ritzungen auf Gefäßen (Graffiti) gesichert. Ein Gedicht aus dem 3. Jh. v. Chr. beschreibt den Ort des Heiligtums. Bei Oikous muss es sich um eine nahegelegene kleine Siedlung gehandelt haben, die bisher aber nicht gefunden wurde. Die ersten Votive – also Geschenke, die der Aphrodite dargebracht wurden – werden in das 7. Jh. v. Chr. datiert. Schon ab der Mitte dieses Jahrhunderts lässt sich eine große Anzahl solcher Weihgaben und anderer Funden im Heiligtum fassen, die darauf hindeutet, dass der Tempel unzählige Besucher*innen hatte und sehr beliebt war.
Ein Gebäude aus dieser Zeit ist nicht bekannt, dafür aber zahlreiche Deponierungen von Weihgaben. Diese haben sich im Gelände erhalten, da sie in der Antike im Heiligtum vergraben (deponiert) wurden, denn Geschenke an die Götter und Göttinnen durften nicht wieder aus dem heiligen Bezirk entfernt werden. Besonders aus dem über 17m tief in den Felsen gehauenen Bothros (eine Grube, in dem alte Weihgaben abgelegt werden) stammen sehr viele Funde. Diese zahlreichen Deponierungen deuten darauf hin, dass das Heiligtum etwa um 630 v. Chr. zerstört oder umgestaltet wurde. Brandspuren an zahlreichen Votiven könnten auf einen Bau aus vergänglichem Material hindeuten, der bei einem Feuer zerstört wurde.
Auf der Kuppe des Hügels wurde eine größere Fläche geebnet um als Fundament für den spätarchaischen Tempel zu dienen, von dem sich einige Fundamentblöcke am Ort erhalten haben. Der Tempel wurde aber offenbar später als Steinbruch verwendet und vollständig abgetragen. Viele zerschlagene Fragmente deuten auf größere Marmorarchitektur hin, zu der auch entsprechende figürliche Dekoration nachgewiesen ist. Daneben gibt es verschiedene andere Gebäudereste aus archaischer Zeit an den teilweise terrassierten und aufgeschütteten Hängen des Hügels.
Im Heiligtum wurden vorwiegend Schafe und Ziegen geopfert, und die archaischen Terrakotten sind überwiegend weibliche Figuren. Hinzu kommen zahlreiche importierte oder von Reisenden dargebrachte Weihgaben aus dem gesamten Mittelmeerraum, die von Prominenz, Reichtum und Bedeutung des Heiligtums zeugen.
Nach der Zerstörung Milets durch die Perser im Jahr 494 v. Chr. lebte der Aphroditekult zwar weiter, aber ein neuer Tempel wurde nicht errichtet und die Funde zeugen von einem geringen Besucheraufkommen. Ein Nachhall ist die Erwähnung des Heiligtums in dem antiken Roman „Kalirrhoe“ des späthellenistischen Dichters Chariton von Aphrodisias.
Text: Lisa Steinmann
Literaturhinweise
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R. Senff, Das Aphroditeheiligtum von Milet, in: G. Heedemann – E. Schwertheim (Hrsg.), Neue Forschungen zur Religionsgeschichte Kleinasiens. Elmar Schwertheim zum 60. Geburtstag gewidmet, Asia Minor Studien 49 (Bonn 2003) 11–25
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V. von Graeve, Das Aphrodite-Heiligtum von Milet und seine Weihegaben, in: I. Gerlach – D. Raue (Hrsg.), Sanktuar und Ritual: Heilige Plätze im archäologischen Befund. DAI Forschungscluster 4, Heiligtümer: Gestalt und Ritual, Kontinuität und Veränderung, Menschen – Kulturen – Traditionen 10 (Rahden/Westfalen 2013) 5–17