Kaletepe
Der Kaletepe ist einer der Hügel des milesischen Stadtgebietes. Er liegt direkt östlich des antiken Stadtzentrums und begrenzt gemeinsam mit dem Humeitepe den Löwenhafen. Der südwestliche Hang des Kaletepe wurde als Standort für das antike Theater Milets genutzt, das auf eine weitere, südwestlich hiervon gelegene Bucht blickt. Der Hügel wird auf Deutsch daher oft als Theaterhügel bezeichnet, während der türkische Name Kaletepe (dt. Burgberg) auf das spätbyzantinische Kastell über selbigem Theater verweist.
Funde vieler geometrischer und archaischer Scherben weisen darauf hin, dass der Kaletepe schon lange von Milesiern und Milesierinnen genutzt wurde. Einige von der Grabung entdeckte Mauern wurden als erste archaische Besiedlung des Hügels interpretiert (zwischen 700 und 490/480 v.Chr.). Spätestens ab spätklassischer oder hellenistischer Zeit müssen hier viele Wohnhäuser in Häuserblöcken (Insulae), die sich nach dem Straßenraster des nördlichen Stadtgebietes richteten, gestanden haben. An einigen Stellen wurden kaiserzeitliche Wohnhäuser mit großflächigen und figürlich dekorierten Mosaikböden entdeckt. Auch gab es auf dem Kaletepe einige in diesem Zusammenhang genutzte Keller und Zisternen, die vermutlich überwiegend in natürlich im Karstgestein entstandene Höhlen eingebaut worden waren. Nach bisherigen Erkenntnissen endete die Besiedlung des Hügels in der Spätantike (zwischen dem 4. und 7. Jh. n. Chr.) vorerst.
Der Kaletepe weist an einigen Stellen sehr steile Hänge auf. Dies machte ihn in spätbyzantinischer Zeit (11.–13. Jh. n. Chr.) erneut zu einem attraktiven Siedlungsplatz. Hügel und Theaterkastell wurden mit einer Befestigungsmauer umgeben, die den Kaletepe mit seiner erhöhten Lage und der weiten Aussicht zu einem leicht zu verteidigenden Wohnort machten. Durch Ausgrabungen und geophysikalische Prospektionsmethoden sind hier zahlreiche Häuser bekannt, die nun als kleine Wohneinheiten dicht an dicht mit willkürlich verlaufenden, „gewachsenen“ Straßen verbunden werden. Diese Siedlung wird nicht mehr Milet genannt, sondern Palatia. Der neue Name bezieht sich wohl auf die Ruinen der antiken Stadt, die man als alte Paläste wahrgenommen hat. Nachdem Palatia im 13. Jh. n. Chr. vom Menteşe Beylik, einem regionalen türkischen Fürstentum, eingenommen worden war, wurde aus Palatia mit der Zeit Balat – bis heute der Name des nahegelegenen Dorfes, das bis zu einem verheerenden Erdbeben 1955 um das Stadion des antiken Milets angesiedelt war. Die Besiedlung des Hügels setzte sich hiernach allerdings augenscheinlich fort, denn auf dem Hügel entstand eine kleine Moschee mit nach Osten gerichteter Gebetsnische (Mihrab). Ein Grab, das nur wenig südlich der Moschee liegt, dürfte mit dieser zusammenhängen. Da das Alter der zuvor genannten Hausmauern nur in Einzelfällen schon wirklich bekannt ist besteht die Möglichkeit, dass sie in der nun beginnenden Emiratszeit (ab dem 13. Jh. n. Chr.) weiterhin genutzt wurden. Bei dem Hügel dürfte es sich daher um eine der zahlreichen Nachbarschaften des mittelalterlichen Balat handeln, die uns aus osmanischen Schriftquellen bekannt sind.
Text: Lisa Steinmann