Stadtzentrum
Das Stadtzentrum wurde zum einen vom Löwenhafen, zum anderen von der Prachtstraße und den Märkten geprägt und bildete mit seinen vielfältigen Bauten den religiösen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mittelpunkt des Caput Ioniae, der „Hauptstadt Ioniens“.
Den Mittelpunkt bildete die Prachtstraße südlich des Humeitepe mit direktem Anschluss an den Nordmarkt im Westen und einen weiteren Markt im Süden. Spätestens seit der Neugründung Milets nach der Perserzerstörung von 494 v. Chr. verläuft der Hauptzugang zur Prachtstraße wohl über den Löwenhafen. Das Gebiet der Straße steht heutzutage in den Winter- und Frühlingsmonaten unter Wasser und ist erst in den Sommermonaten wieder betretbar. Auf Grund dessen ist die weitere Erforschung des Gebietes nur eingeschränkt und in nicht allzu tiefen Schichten möglich. Wie das Straßennetz weicht auch die Ausrichtung der Agora von einer geraden Nord-Süd-Ausrichtung ab, ebenso die angrenzenden Bauten. Zu diesen Bauten können das Delphinion im Norden, das Thermengymnasium im Osten, das berühmte Markttor im Süden und das Bouleuterion im Westen gezählt werden. Den Bauten wurden in der römischen Kaiserzeit Säulenhallen, bspw. die sog. Ionische Halle, vorgelagert. Der Platz erhielt damit eine einheitliche Fassade, die sich stark auf das Stadtbild ausgewirkt haben wird. In dieser Zeit trat im Südosten das Nymphäum hinzu, das mit seiner beeindruckenden, durch Vorsprünge und Nischen aufgelockerten, mehrstöckige Fassade (eine sog. Tabernakelfassade), seiner statuarischen Ausstattung und den plätschernden Wassergeräuschen das Stadterlebnis aufwertete.
Vom Delphinion am nördlichen Ende der Prachtstraße begann die Prozession des jährlich stattfindenden Festes für Apollon. Sie führte entlang des Heiligen Tores im Süden des milesischen Stadtgebietes über die etwa 16 km lange Heilige Straße zum monumentalen Tempel von Didyma. Unter Kaiser Trajan erfuhr die Feststraße, die eigens für die Prozession angelegt wurde, einen starken Ausbau und wurde mit Marmorplatten gepflastert, wovon heute noch viele Inschriften zeugen.
Text: Sandra Golling
Literaturhinweise
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H.-U. Cain – M. Pfanner, Die Agora Milets in der Kaiserzeit und Spätantike, in: O. Dally – M. Maischberger – P. I. Schneider – A. Scholl, ZeitRäume. Milet in der Kaiserzeit und Spätantike (Regensburg 2009) 83−95
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A. Slawisch – T. Ch. Wilkinson, Processions, Propaganda, and Pixels. Reconstructing the Sacred Way Between Miletos and Didyma, AJA 122, 2018, 101–143