Hafentor
Im antiken Zentrum der Stadt, nahe dem namensgebenden Löwenhafen und zwischen Hafenhalle und Delphinion, befinden sich die Überreste des sogenannten Hafentors von Milet. Die Datierung der Toranlage ist nicht eindeutig, sie wird allerdings zu den umfangreichen Neu- und Umbaumaßnahmen des 1. und 2. Jh. n. Chr. gezählt, die zur Aufwertung des Stadtzentrums gedient haben dürften. Im Zuge der Errichtung des Hafentores mussten die angrenzenden Bauten modifiziert werden. An der Hafenhalle wurden nur kleinere Abarbeitungen vorgenommen, während die Westwand des Delphinions stellenweise entfernt und das Heiligtum in diesem Abschnitt mit der Toranlage verbunden wurde. Sichtbar ist heutzutage nur noch die erste von drei Stufen des Unterbaus, die aus mit Bruchstein und Mörtel verfüllten Kammern bestand. An der Stelle des einst zentralen Durchgangs lassen sich außerdem Wagenspuren ausmachen. Eine genaue Rekonstruktion der an den Durchgang anschließenden Seitenflügel ist aufgrund fehlenden Materials nicht möglich, doch scheint ein Aufbau mit je drei Säulenpaaren sowie zwei abschließenden Pfeilern zu beiden Seiten sinnvoll. Einen praktischen Nutzen besaß das Hafentor – abgesehen von einer gezielten Wegführung – nicht. Es scheint insbesondere angesichts seiner Lage am nördlichen Ende der sogenannten Prachtstraße von Milet eher einen repräsentativen Charakter gehabt zu haben. Im 3. Jh. n. Chr. wurde das zuvor architektonisch offen gestaltete Tor durch eingezogene Mauern und eine Türschwelle umgestaltet und war fortan Teil der Stadtbefestigung.
Text: Nadia Cahenzli
Literaturhinweise
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