Heroon III
Mitten im Stadtzentrum von Milet finden sich die Überreste eines großen, mit von Säulenhallen umstandenen Hofes, in dessen Mitte ein quadratisches Bauwerk steht. Die Anlage ist etwa 50 x 8 m groß und nimmt damit im orthogonalen Straßenraster von Milet exakt die Fläche eines Häuserblockes bzw. einer Insula ein. Bemerkenswert ist die östlich anschließende Straße, die den Löwenhafen im Norden mit dem Heiligen Tor im Süden verbindet und eine der Hauptverkehrsachsen gewesen sein muss. Weiterhin finden sich zahlreiche öffentliche Großbauten, wie das Theater oder die Faustinathermen, in unmittelbarer Nähe zu diesem eigentümlichen Bauensemble.
Aufgrund der herausragenden Lage im Stadtzentrum, an einer wichtigen Straßenachse, und aufgrund der schieren Dimension der Anlage scheint eine Interpretation als bedeutendes öffentliches Gebäude naheliegend. Während früher Ausgrabungen unter Theodor Wiegand in den Jahren 1909 und 1910, wurden im Inneren des quadratischen Zentralbaus ein gut erhaltenes Podest entdeckt und ferner die Fragmente eines großen Girlandensarkophages freigelegt, der in antiker Zeit auf dem Unterbau aufgestellt gewesen sein muss. Durch diese Befunde und Funde konnte die Gesamtanlage als Ehrengrab oder Heroon interpretiert werden, das für einen bedeutenden Bürger in exklusiver Lage, mitten im milesischen Stadtzentrum errichtet worden sein muss (zur Bedeutung der Heroa s. Eintrag zu Heroon I).
Das heute unter dem Namen Heroon III bekannte Ehrengrab ist das späteste und das größte der drei innerstädtischen Heroa von Milet (s. Heroon I und II). Obwohl der Baukomplex in nachantiker Zeit ausgeraubt worden ist, kann die vergangene Größe des Heroon III gut nachvollzogen werden. Der große, rechteckige Hof war auf allen vier Seiten von Säulenhallen umstanden, an die sich im Süden einige Räume anschlossen. Möglicherweise wurden diese während der Feierlichkeiten zu Ehren des Verstorbenen genutzt. Die Säulenhallen selber bestanden aus einer Kombination von Granitsäulen mit korinthischen Kapitellen und zugehörigem Gebälk mit entsprechender Bauornamentik. Der eigentliche quadratische Grabbau wurde asymmetrisch in den Innenhof gesetzt. Seine Innenwände sind durch Nischen aufgelockert, in denen Statuen aufgestellt gewesen sein dürften. Auf Basis stilistischer Untersuchung der dekorierten Architekturteile und des zugehörigen Fundmaterials wird die Entstehung des Heroon III an den Beginn des 3. Jh. datiert. Erwähnenswert sind auch die unterhalb des Heroon III gefundenen Überreste eines hellenistischen Wohnhauses mit reicher Wandbemalung.
Text: Fabian Sliwka
Literaturhinweise
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B. F. Weber, Die römischen Heroa von Milet, Milet 1,10 (Berlin 2004) 101–144
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M. Maischberger, in: P. Niewöhner, Milet/Balat (Istanbul 2016) 41–44