Großes und Kleines Hafenmonument
Die beiden Hafenmonumente von Milet befinden sich nordwestlich des antiken Stadtzentrums, unweit des Löwenhafens, von dem sich die moderne Bezeichnung der Bauwerke ableiten lässt. Das südlichere, sogenannte Große Hafenmonument wurde möglicherweise zur Feier eines Seesieges im 1. Jh. v. Chr. errichtet. Es bestand ursprünglich aus einem vierstufigen runden Unterbau von annähernd 12 m Durchmesser, der sich heute noch an Ort und Stelle befindet und von dem in der Antike ein 2,8 m hoher Sockel aufging. Er hatte die Form eines Dreiecks mit abgeschnittenen Spitzen und eingebuchteten Seiten und besaß eine umlaufende Sitzbank. Oberhalb des Sockels, in mehreren Metern Höhe, befanden sich drei Reliefs, die alle das gleiche maritime Motiv zeigten: Von der vertikalen Mittelachse ausgehend wendete sich spiegelsymmetrisch je ein Mischwesen mit männlichem Oberkörper, Pferdeleib und Fischschwanz (ein sog. Seekentaur) nach außen. In der Hand des ausgestreckten linken bzw. rechten Armes wird ein Muschelhorn rekonstruiert, während in der Beuge des anderen Armes ein Ruderblatt lehnte. Unterhalb der Schwanzflosse befand sich je ein Delfin. Nach außen hin wurde jedes Relief durch zwei vollplastische Schiffsbuge (Proren) abgeschlossen. Die weitere Rekonstruktion eines Postaments oberhalb der Reliefs sowie eines bekrönenden Dreifußkessels, der auf geduckten Löwenstatuen geruht haben soll, ist rein hypothetisch, da aus diesem Bereich kaum Bauteile aufgefunden wurden. Grund dafür könnte die im 3. Jh. n. Chr. erfolgte Eingliederung des Hafenmonuments in die neu errichtete Stadtmauer gewesen sein, in deren Zuge möglicherweise der über die Mauer hinausragende, obere Teil des Bauwerks abgerissen wurde. Ursprünglich könnte sich das Große Hafenmonument in eine Höhe von bis zu 18 m erstreckt haben.
Das sogenannte Kleine Hafenmonument befindet sich wenige Meter nördlich des Großen Hafenmonuments und wurde – wie eine Bauinschrift verrät – von einem gewissen C. Grattius gestiftet. Es wird um die Zeitenwende datiert. In seinem Aufbau scheint es vom Großen Hafenmonument inspiriert worden zu sein: Heute noch sichtbar ist der einstufige Unterbau, auf dem sich eine Sitzbank der gleichen charakteristischen Form befindet, die für den Sockel des Großen Hafenmonuments gewählt wurde. Davon ging ursprünglich eine Wand aus Quadermauerwerk auf, die von Pfeilern gerahmt wurde und deren oberer Abschluss wiederum nicht sicher rekonstruiert werden kann.
Text: Nadia Cahenzli
Literaturhinweise
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