Faustinathermen
Die Faustinathermen fallen nicht nur wegen ihrer abweichenden Lage von dem sonst gleichmäßig angelegten Straßenraster in Milet auf, sie stellen auch die größte Badeanlage der Stadt dar. Namensgebend ist Faustina die Jüngere, die Gattin des Kaisers Marc Aurel. Die Kaiserin wird in einer Inschrift in Verbindung mit Instandhaltungsmaßnahmen genannt. Obwohl die Errichtung der Faustinathermen in die Jahre nach 164 n. Chr. datiert, wurde die zuvor genannte Inschrift wohl erst in der zweiten Hälfte des 3. Jh. oder im 4. Jh. n. Chr. angebracht. Die ursprüngliche Rolle der Kaiserin bezüglich der Thermen ist somit nicht mehr zu bestimmen.
Der Thermen-Gymnasion-Komplex wurde zwischen den Jahren 1903 und 1907 freigelegt. Auffällig ist, dass für die Anlage insgesamt älteres Material, wie beispielsweise braune Gneisblöcke aus der klassisch-hellenistischen Stadtmauer, wiederverwendet wurde.
Zwar ist die Ausrichtung des Gebäudekomplexes innerhalb der Polis abweichend, untereinander sind die Räume dennoch gleich orientiert. Den größten Teil der Anlage bildete die nahezu quadratische, von Säulenhallen umgebene Palästra. Bei einer Palästra handelt es sich um einen vorgelagerten Säulenhof für sportliche Übungen. Im Südwesten grenzt sie direkt an das Stadion, an der Ostseite führten zwei Zugänge in eine langgestreckte Wandelhalle (Basilica thermarum/Ambulacrum), welche vermutlich sozialen Aktivitäten, insbesondere dem Führen von Gesprächen, diente. Die etwa 60 m lange Wandelhalle besaß auf beiden Seiten jeweils 13 Kammern, welche möglicherweise als Separees dienten.
Nach Norden hin öffnete sich die Wandelhalle in einem weiten Bogen zu einem nahezu quadratischen Raum, der von den Ausgräbern als „Musensaal“ bezeichnet wird. Namensgebend hierfür sind die Statuen, die von den Ausgräbern aufgefunden wurden und mehrheitlich Musen darstellen. Es wird vermutet, dass diese Statuen in den Nischen und in der Apsis entlang der Längswände aufgestellt waren. Im 3. Jh. n. Chr. wurde in der Apsis vermutlich eine Bühne eingebaut, weshalb angenommen wird, dass hier Aufführungen und/oder Vorträge stattfanden.
Die Räume, die sich südlich und nördlich der Wandelhalle anschlossen, dienten dem Badebetrieb. Dieser Badekomplex folgte einem ringförmigen Aufbau, der die Besucher*innen durch die in Funktion unterteilten Räume führte, ohne dass sie einen der bereits durchquerten Räume erneut betreten mussten. Unter anderem bot der Badekomplex zwei mäßig warme Übergangsräume (Tepidarium), die den Übergang zum Heißbaderaum (Caldarium) bildeten. Die Tepidarien wurden mit Hilfe eines überwölbten Unterbodens (Hypocaustum) und Hohlziegeln an den Wänden (Tubuli) beheizt. Aufgrund dieser Beheizung könnten diese Räume auch als Massageräume gedient haben und dann als Unktuarien angesprochen werden. In einem der Räume ist noch eine Fensterbank mit Einarbeitungen für die Fenstergewände und -verschlüsse erhalten. Sie wird häufig als Referenz für antike Fenstertechnologie verwendet.
Das Caldarium bildete den Hauptraum der Thermenanlage und beinhaltete ein großes Warmwasserbecken für Sitzbäder. Drei Feuerquellen (Präfurnien) in den angrenzenden Nebenräumen dienten als Heizung. Der Raum besaß ursprünglich hohe Wände mit großen Fensterflächen innerhalb der oberen Wandzone und wurde von einem Tonnengewölbe abgeschlossen.
Nach dem Caldarium folgte ein Übergangsraum, welcher in den Kaltbaderaum (Frigidarium) führte. In diesem Raum befand sich ein Kaltwasserbecken (Natatio), das zur Abkühlung diente. Über zwei Skulpturen – ein Flussgott, der den Mäander repräsentiert, und ein Löwe – wurde das Wasser in das Becken zugeführt.
Die Faustinathermen erfuhren mehrere Umgestaltungen. Auch einige Instandhaltungsmaßnahmen, wie die des 3. bzw. 4. Jh. n. Chr., sind überliefert. Die Inschrift einer Person namens Hesychios aus dem 5. oder 6. Jh. n. Chr. belegt eine weitere Instandhaltungsmaßnahme. Im 6. oder 7. Jh. n. Chr. wurden die Thermen aufgegeben. Kurzzeitig erfuhr die Anlage eine anderweitige Funktion. Deutlich später wurden in der Ruine Stallungen und Bauernhäuser errichtet.
Text: Caitlin Bamford
Literaturhinweise
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A. von Gerkan – F. Krischen, Thermen und Palaestren. Mit Beiträgen von F. Drexel, K. A. Neugebauer, A. Rehm und T. Wiegand, Milet 1,9 (Berlin 1928)
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P. Schneider, in: P. Niewöhner, Milet/Balat. Städtebau und Monumente von archaischer bis in türkische Zeit. Ein Führer (Istanbul 2016), 107–111