Serapistempel
Eine für Milet ab der römischen Kaiserzeit wichtige Kultstätte bildete das Serapeion. Der Tempel war dem ägyptisch-römischen Gott Serapis geweiht, und war – wie für Kultbauten des Serapis charakteristisch – nach Süden ausgerichtet und innerhalb des Stadtbildes in direkter Nähe zu Marktplätzen platziert. Mittig im Stadtzentrum gelegen, schlossen sich östlich ein großer Speicherbau und dahinter der Südmarkt an. Westlich benachbart waren die Faustina-Thermen.
Der Tempel weist einen Hauptraum mit den Maßen von etwa 22 x 12 Metern, sowie eine südlich anschließende Vorhalle (Propylon) von etwa 9 x 3 Metern auf. Das aufgehende Mauerwerk des Hauptraumes ist nur niedrig erhalten. Es bestand ursprünglich aus wiederverwendeten Marmorquadern und wurde von zwei Säulenhallen in ein größeres Mittelschiff und zwei kleinere Seitenschiffe gegliedert. Diese bestanden aus jeweils fünf unkannelierten Säulen aus blaugrauem Marmor auf attisch-ionischen Basen. An der Ostwand bietet ein kleiner Nebeneingang Zugang zum Bau. Am nördlichen Ende des Raumes befindet sich ein Podium aus Bruchstein- und Ziegelmauerwerk mit einem inneren, betretbaren Hohlraum. Vermutlich diente es der Ausübung von Kulthandlungen sowie als Ablageort und -fläche für Weihgaben an den Gott Serapis. Der Aufstellung einer Kultstatue kann die Vorrichtung nicht gedient haben, da wegen des Hohlraumes keine nötige Stabilität geboten werden konnte. Ein Kultbild könnte hingegen in einer Nische in der Rückwand gestanden haben.
Die Vorhalle des Tempels, die sich im Süden anschließt, befindet sich – samt Frontarchitrav mit Inschrift – im besten Erhaltungszustand. Sie weist einen mehrstufigen Unterbau mit vier Frontsäulen und einen fast vollständig erhaltenen Giebel auf. Dieser ist mit einer zentralen Büste des Gottes Serapis mit Strahlenkranz geschmückt und wurde nach seiner Freilegung gegenüber der Treppe mit der Frontseite nach Norden, allerdings in niedrigerer Höhe, wiederaufgestellt. Das Bild des Gottes wurde bereits beschädigt von den Ausgräbern freigelegt. Eine auf dem Architrav erhaltenen Inschrift nennt den sonst unbekannten Ilius Aurelius Menekles als Stifter der Vorhalle. Zudem wird auf die dekorative Ausstattung der Vorhalle, eine relieffierte Kassettendecke, Bezug genommen. Zehn der Felder haben sich, teilweise fast vollständig, mit ihren Darstellungen von Götter- und Halbgötterbüsten erhalten. Anhand von Bauornamentik und Buchstabenformen der Inschrift wird die Vorhalle in severische Zeit (193–235 n. Chr.) datiert. Vermutlich wurde diese zu einem späteren Zeitpunkt an den bestehenden Tempelbau angefügt. Für den Tempel selbst kann eine früheste Entstehungszeit ab hadrianischer Zeit (117–138 n. Chr.) angenommen werden.
Text: Marieke Bohn
Literaturhinweise
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R. Salditt-Trappmann, Der Tempel des Serapis in Milet, in: R. Salditt-Trappmann (Hrsg.), Tempel der ägyptischen Götter in Griechenland und an der Westküste Kleinasiens (Leiden 1970) 33–36
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P. Niewöhner, Neue spät- und nachantike Monumente von Milet und der mittelbyzantinische Zerfall des anatolischen Städtewesens, AA 2013/2, 165–233
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M. Maischberger, in: P. Niewöhner (Hrsg.), Milet / Balat. Städtebau und Monumente von Archaischer bis in Türkische Zeit. Ein Führer (Istanbul 2016) 96–98