Heroon I
Als Heroon I wird ein am Osthang des Kaletepe, dem sog. Theaterhügel, gelegener Grabbau bezeichnet. Auf Basis der zugehörigen Architekturteile und anderer Funde wird das Gebäude in die hellenistische Zeit, genauer um 100 v. Chr. datiert. Im Unterschied zu anderen Grabbauten oder Gräbern der antiken Zeit, die gemeinhin außerhalb des jeweiligen Stadtgebiets entlang der Ausfallstraßen errichtet wurden, liegen Heroa - wie am Beispiel Milet gut erkennbar - in repräsentativer Lage inmitten des Stadtgebietes. Im Zusammenspiel mit einer reichen architektonischen Ausgestaltung und Ausstattung werden sie als Grabbauten besonders wichtiger oder ehrwürdiger Bürger interpretiert. Während andernorts die Namen der dort Bestatteten und Gewürdigten teils bekannt und dementsprechend die Heroa nach ihnen benannt sind, fehlen solche Informationen in Milet. Daher ergibt sich die neutralere chronologische Betitelung der milesischen Heroa, also Heroon I, Heroon II und Heroon III.
Das hier vorgestellte Heroon I besitzt eine Grundfläche von ca. 34 x 29 m und bestand aus einem nicht erhaltenen zentralen Grabhügel und einer darunter liegenden, unterirdischen Grabkammer. Das Bauwerk liegt inmitten eines Hofes, an den im Norden und Osten einige Räume angrenzen. Der Gesamtkomplex aus Grabbau und rahmender Architektur ist am orthogonalen bzw. rechtwinkligen Straßenraster des antiken Milet orientiert, was insbesondere durch eine angrenzende Straßenkreuzung gut belegt ist. Die unterirdische Grabkammer konnte in der Antike über einen schmalen Gang betreten werden und besaß insgesamt fünf Grabnischen.
Die obererdig angrenzenden Räume wurden wahrscheinlich für Feierlichkeiten zu Ehren der hier Bestatteten genutzt. Dafür sprechen die zahlreichen Funde qualitativ hochwertiger Reliefkeramik, die aus zwei innerhalb des Heroon I gelegenen Zisternen stammen. Nachträglich im Bereich dieser Räume eingesetzte Mauern belegen einige Umbaumaßnahmen in der mittleren Kaiserzeit. Den Endpunkt des Heroon I bildet ein an dieser Stelle in frühbyzantinischer Zeit errichteter Neubau, der - anders als die Umbauten der Kaiserzeit, - den Grundriss des hellenistischen Gebäudes überlagert und nicht mehr an diesem ausgerichtet wurde. Zu dieser Zeit muss das Heroon I demnach bereits abgerissen und die Bauteile an anderer Stelle wiederverwendet worden sein.
Text: Fabian Sliwka
Literaturhinweise
-
W. Müller-Wiener, Arbeiten im Gebiet des Heroon am Theaterhang (HI), IstMitt 35, 1985, 16–22
-
B. Emme, in: P. Niewöhner, Milet/Balat (Istanbul 2016) 39–41