Köschk oder Tekke
Am südlichen Hang des Humeitepe fällt auf dem Weg vom antiken Stadtzentrum zum Humeitepe ein hohes Gebäude auf, das an den Beginn des 15. Jh. n. Chr. datiert wird. Es steht auf einem Sockel und besitzt jeweils nach Südwesten und Südosten auffällig große, von Spitzbögen gerahmte Fenster. Die Decke des westlichen Raumes wurde von einer sog. Pendentifkuppel gebildet, bei der mehrere von den Ecken ausgehende gerundete Dreiecke den Übergang zu einer normalen Kuppel bilden. Innen waren die so entstehenden Nischen mit Stalaktitengewölben (Muqarnas) ausgestaltet. Auch der östliche Raum war ähnlich überdacht. Die beiden Kuppeln waren noch mit einer Brüstung ummauert. Eine schmale Treppe in der südlichen Gebäudeecke führte auf das Dach.
Die Wände des Gebäudes bestehen an für die Stabilität wichtigen Stellen überwiegend aus wiederverwendeten, älteren Architekturteilen (Spolien). Das Gebäude wird durch eine Mauer im Innern in zwei gleichgroße Teile getrennt. Durch eine etwas über 1m breite Tür im östlichen Teil der Nordwand konnte das Gebäude betreten werden und eine Außentreppe führte in das westliche Obergeschoss. Regelmäßige Balkenlöcher in den Innenwänden zeigen, dass das Gebäude zwei Stockwerke hatte. Der Raum im östlichen Obergeschoss besaß eine nach Südosten ausgerichtete Gebetsnische und eine Herdnische im Norden. Eine weitere Nische in der Ostwand dürfte als Wandschränkchen gedient haben. Zudem gibt es in beiden Wänden jeweils ein kleines Fenster. Im Osten schließt sich ein kleiner, umgrenzter Friedhof an das Gebäude an.
Es gibt zwei Theorien zur Funktion dieses Gebäudes. Zum einen könnte es sich um die Residenz (Köschk / Köşk) eines Emirs oder seines Statthalters gehandelt haben, zum anderen um ein religiöses Gebäude, das wahlweise als eine Art religiöser Versammlungsort (Tekke oder Zaviye), oder als Derwischkloster (Mevlevihâne) bezeichnet wird. Im osmanischen Register von 1583 ist von einer „als Mevlevihane bekannten Zaviye des Ahmed Gazi“ die Rede, bei der es sich gut um dieses Gebäude handeln könnte. Ahmed Gazi war einer der Menteşe-Fürsten und Sohn des Ibrahim Bey, von dem eine Moschee-Stiftung in Balat überliefert ist. Andererseits lässt sich der Bau auch mit anderen Loggien oder Herrscherresidenzen der Emiratszeit vergleichen, wofür auch die Nähe zur neu entdeckten Mescid (kleine Moschee ohne Minarett) am Humeitepe spräche, die unmittelbar südwestlich liegt. Eine mehrfache Nutzung des Gebäudes ist nicht ausgeschlossen, denn es kann seine Funktion natürlich im Laufe der Zeit verändert haben.
Text: Lisa Steinmann
Literaturhinweise
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K. Wulzinger, Das islamische Milet, Milet 3,4 (Berlin 1935)
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A. Durukan, Menteşe Beyliği Zamanında Balat (Antik Miletus / Palatia), in: H.B. Konyar – N. Yavuzoğlu-Atasoy (Hrsg.), Beylikler Dönemi Kültür ve Sanat, Sanat Tarihi Derneği Yayınları 9 (Istanbul 2014) 83–134
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Ph. Niewöhner – C. Berns – S. Giese – S. Huy – A. Izdebski – A. Vacek, Arbeiten in Milet in den Jahren 2012 bis 2016. Chronik, neue Befunde aus antiker, byzantinischer und türkischer Zeit sowie Denkmalpflege, AA 2020, 1, 2020, 225–267